"Für ein starkes und unabhängiges Europa"

"Für ein starkes und unabhängiges Europa"

Manuel Ochsenreiter

Herr Prof. Dugin, bundesdeutsche und österreichische Medien berichten, Sie hätten in einem Interview mit einer ungarischen Nachrichtenseite gesagt, Sie wollten Österreich „auflösen“…

Dugin: Das ist Unsinn.

Aber warum behaupten die Medien das seit Tagen?

Dugin: Ich bin daran gewöhnt. Westliche Mainstream-Medien berichten über mich und meine Positionen generell auf diese Art und Weise: Sie geben meine Ideen entstellt und verunstaltet wider. Das hat damit zu tun, daß man sich in den Redaktionen davor fürchtet, daß sich der Westen immer weiter auflöst und selbst zerlegt. Jeder weiß heute, daß sich die politische Situation in Europa verändern wird. Wir wurden alle Zeugen der nervösen Reaktionen der EU-Eliten nach dem Wahlsieg von SYRIZA in Griechenland. In ganz Europa sind euroskeptische Parteien, die die US-Hegemonie und den ultra-liberalen westlichen Wertekatalog kategorisch ablehnen, auf dem Vormarsch. Ich kann daher die Angst bei denjenigen nachvollziehen, die voll auf die heutige EU setzen. Man kann in diesem Zusammenhang von einer Paranoia sprechen. Wir alle wissen nicht, wie das Europa der Zukunft aussehen wird. Wir wissen nur: Es wird nicht mehr das Europa von heute sein. Ich bin ein Repräsentant des „anderen Europa“, des byzantinischen Europa – auch ich sorge mich um die Zukunft Europas. Aber gleichzeitig ist das auch eine sehr aufregende Entwicklung!

Aufregend?

Dugin: Es ist aufregend, sich das „Neue Europa“ vorzustellen!

Und da wären wir wieder: ein Europa ohne Österreich, wie unsere Medien Sie zitieren?

Dugin: (lacht) Ich habe das niemals gesagt! Ein ungarischer Journalist fragte mich, wie die Zukunft Ungarns aussehen könnte. Ich antwortete ihm, daß die Alternative zum heutigen pro-amerikanischen, kapitalistischen und liberalen Europa der EU ein anderes europäisches Modell sein könnte. Es könnte eine Art „neues Ost-Europa-Projekt“ geben. Ich wurde auch nach Österreich in diesem Zusammenhang gefragt. Ich habe vorgeschlagen, daß das neue Ost-Europa-Projekt eine Art Neuauflage Österreich-Ungarns sein könnte – eine Allianz der osteuropäischen Staaten. Ich spreche über ein geopolitisches Gebilde, nicht über einen zentralisierten Superstaat!

Die Medien bei uns berichten weiter, Sie würden in diesem Zusammenhang von einem „Reich“ sprechen…

Dugin: Bitte geben Sie mir nicht die Schuld am fehlenden politischen Verständnis in den Redaktionen der europäischen Mainstream-Medien! „Reich“ oder „Imperium“ im Sinne eines geopolitischen Pols, als eine Allianz oder Föderation.

Ist die Europäische Union dann auch ein „Imperium“?

Dugin: Sie ist ein Imperium, aber ein sehr negatives. Es negiert die unterschiedlichen Traditionen, die ethnischen Unterschiede und die verschiedenen kulturellen Identitäten auf dem europäischen Kontinent und bewirbt einen puren, liberalen Individualismus. Es ist das moderne Europa des Menschenrechtsimperialismus. In Brüssel träumt die EU-Elite bereits von den „Vereinigten Staaten von Europa“. Die Parallele zu den Vereinigten Staaten von Amerika ist offensichtlich. Das sagt eine Menge über deren Ideologie aus. Um es klar zu sagen: Es ist die EU-Administration in Brüssel, die die Souveränität der europäischen Staaten immer weiter beschneidet und einen EU-Superstaat anstrebt. Daß Mainstream-Journalisten, die diese EU jeden Tag in ihren Artikeln und Kommentaren verteidigen, nun urplötzlich um die Zukunft der Republik Österreich besorgt sind, ist doch unglaubwürdig und lächerlich!

Warum glauben Sie, daß eine Konföderation oder Allianz in Europa notwendig ist? Warum nicht zurück zum Modell völlig unabhängiger Nationalstaaten?

Dugin: Weil ein solches Modell Europa schwächen würde. Ich selbst bin kein Nationalist, sondern Traditionalist. Es gibt eine geopolitische Notwendigkeit für eine wie auch immer zu gestaltende europäische Föderation oder Allianz, wenn der Kontinent in Zukunft eine Rolle spielen will. Die heutige EU ist aber anti-europäisch. Sie ist ein Werkzeug zur Zerstörung europäischer Traditionen und Werte. Ein Werkzeug, das Europas Kultur tötet.

 

Ein weiterer Vorwurf lautet: „Alexander Dugin will ein von Rußland dominiertes Europa.“ Es gehe bei allem nur um die Dominanz Moskaus, um einen Wechsel von der US-Hegemonie zur russischen Hegemonie…

Dugin: Ich bin Russe, und natürlich verfolgt Rußland Interessen. Aber dieses Interesse ist keine „Patronage“ Europas durch Moskau. Rußland hat Interesse an einem unabhängigen und starken Europa als Partner. Das heutige Europa ist von der EU gelähmt, es zerfleischt sich selber. Es ist nicht pro-russisch, es ist nicht einmal pro-europäisch – es ist einfach nur pro-amerikanisch. Und wieder: Es sind genau die Politiker und Journalisten, die die amerikanische Dominanz und den Einfluß Washingtons in Europa verteidigen, die Rußland und mich persönlich dafür attackieren, daß wir Europa dabei helfen wollen, ein freier, starker und unabhängiger Kontinent zu werden.

Herr Prof. Dugin, vielen Dank für das Gespräch.

http://manuelochsenreiter.com/blog/2015/1/31/fr-ein-starkes-und-unabhngi...