Biden betrachtet Russland als Hauptfeind der Glabalisierung

Zur Zeit: Am 4. Februar sagte der neue US-Prä- sident Biden in einer Rede, die Vereinigten Staaten werden die Kosten für Russland erhöhen, wenn Russland seine angeblich aggressiven Handlungen fortsetzt. Was erwarten Sie sich von der Präsidentschaft Bidens in Bezug auf Russland?

Alexander Dugin: Biden ist kein konservativer Politiker. Er ist nicht wie Obama und er ist in seinen Positionen bestimmt Anti-Trump und er betrachtet Russland als den Hauptfeind Amerikas und den Hauptfeind der Globalisierung. Das ist aber nicht die Schuld oder der Fehler von Russland, sondern eine Art von politischem Gesetz, weil die Vereinigten Staaten unter Biden vom Präsidenten und den ihn umgebenden Kreisen als die Haupttriebkraft der Globalisierung betrachtet werden und sich Russland dem widersetzt. Trump hat sich zuerst auf die Größe Amerikas und die nationalen Interessen konzentriert und ihm war es egal, dass Russland seinen eigenen Weg geht. Trump hat daher keinen Druck auf Putin oder Russland ausgeübt, sofern die russischen Interessen nicht mit den amerikanischen im Widerspruch standen.
Aber Biden verfolgt eine andere Strategie, er hat eine andere Vorstellung vom Gleichgewicht der Mächte in der Welt. Trump war kein Bewunderer klassischer geopolitischer Konzepte, er war ein Gegner der Globalisierung und ein Anti-Globalist. Und Biden ist das genaue Gegenteil davon: Biden ist ein Anhänger des klassischen geopolitischen Konzepts Seemacht gegen Landmacht - in diesem Konzept wird Russland eindeutig als Landmacht definiert -, Biden ist ein Globalist, der die russische Souveränität, die russische Unabhängigkeit und bestimmte besondere russische Werte, russische Identität und Kultur als Gefahr für die Globalisierung und die Schaffung einer Weltregierung betrachtet. In den Augen Bidens ist deshalb Russland der wahre Feind der Zivilisation, der Feind der Vereinigten Staaten, weil für ihn nicht die Vereinigten Staaten so wichtig sind, sondern vielmehr die globalistische Agenda. Ein Schlagwort seines Wahlkampfes lautete „build back better“ („besser zurückbauen“, Anm.). Was bedeutet „besser“, was bedeutet „zurück“? Wie andere Globalisten meinte Biden damit die Rückkehr zur Strategie der Globalisierung, die in den Zeiten Trumps fast aufgegeben worden war.

Zur Zeit: Ist es nicht gefährlich, wenn Biden weniger der US-Präsident, sondern vielmehr eine der führenden Figuren der Globalisierung ist?

Alexander Dugin: Das ist sehr gefährlich, weil es die Art von ideologischem Denkansatz in der Außenpolitik ist und kein realpolitischer Zugang und er basiert nicht auf einer rationalen Berechnung der amerikanischen Interessen, sondern vielmehr auf den autoritären globalistischen Grundsätzen. Jede Kultur, jede Gesellschaft, die diese globalistische Agenda ablehnt - einschließlich der Vereinigten Staaten unter Trump -, wird als Feind angesehen.

Zur Zeit: Russland arbeitet eng mit China zusammen, insbesondere wirtschaftlich im Rahmen der Neuen Seidenstraße. Wie bewerten Sie die Chancen einer größeren eurasischen Integration?

Es gibt eine Konfrontation zwischen Uni- und Multipolarität - diesmal vielleicht die entscheidende Schlacht.

Alexander Dugin: Ich denke, dass diese Integration bereits begonnen hat. Nun, in der Präsidentschaft Bidens, wird sich diese Integration beschleunigen, weil unsere beiden Länder, Russland und China, aber auch andere Länder, wegen der Regierung der Globalisten dazu verdammt sind. Wir werden zur Gründung eines solchen Bündnisses geradezu angestoßen, weil trotz der vieler Differenzen zwischen der russischen und der chinesischen Politik auch viele Gemeinsamkeiten bestehen, beispielsweise die Ablehnung von Globalisierung und Globalismus. China versucht, einige der Möglichkeiten der Globalisierung zu nutzen, und Russland versucht sich der Globalisierung zu widersetzen und die russische Unabhängigkeit zu schützen und zu bewahren. Ich denke, unter Biden wird die Politik der Vereinigten Staaten und anderer globalistischer Kreise die Schaffung eines starken russisch-chinesischen Bündnisses fördern. Das wurde unter dem Begriff „größeres Eurasien“ bereits von Putin bei seinem Treffen mit Xi Jinping angekündigt. Ich denke, diese Bemühungen werden in der nahen Zukunft fortgesetzt werden. Es gibt bereits eine Konfrontation zwischen Eurasien und Atlantizismus, zwischen Unipolarität und Multipolarität, und dieses Mal ist es vielleicht die entscheidende letzte Schlacht.

Zur Zeit: Wie sehen Sie eigentlich Europa?In Europa wurde die Wahl Bidens begrüßt und wenn die Spannungen zwischen den USA und Russland steigen, zahlen die europäischen Länder den Preis, wie etwa die Sanktionen gegen Russland zeigen.

Alexander Dugin: Derzeit sind die wichtigsten europäischen Führer überzeugte Globalisten und Liberale. Die Europäische Union beruht ja auf dem Konzept der Zerstörung und Abschaffung der Souveränität und der Nationalstaaten. Die Europäische Union ist ein Geschöpf und die politische Manifestation des Globalismus. Daher sind die europäischen Führer glücklich mit Biden und der Rückkehr des Globalismus an die Macht in den Vereinigten Staaten. Das bedeutet, dass die EU gegenüber Russland immer feindlicher wird. Manche Führer, etwa Macron oder Merkel, werden versuchen, Vermittler zwischen Russland und den Vereinigten Staaten zu sein, aber das wird nicht funktionieren.

Ich denke, Europa ist zu sehr in diesem Globalismus und in diesem Liberalismus verstrickt, der die Gesellschaft, Kultur und Identitäten Europas zerstört. Europa ist von dieser globalistischen Bande entführt worden, die in den europäischen Ländern die Macht übernommen hat.

Zur Zeit:  In den letzten Tagen und Wochen wurde Russland von westlichen Ländern, insbesondere von den USA, wegen der Verhaftung und Verurteilung des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny heftig kritisiert. Aber wer ist Nawalny ? Ist er ein westlicher Liberaler oder ein Unterstützen der Neuen Weltordnung und des Globalismus?

Alexander Dugin:  Absolut! Er ist im Westen sehr berühmt und bekannt, aber in Russland kennt ihn fast niemand. Er wurde vom Westen ausgewählt, die russische liberale Opposition zu vertreten. Er ist eine Marionette und ein Werkzeug des Globalismus und hat außerhalb von jugendlichen Protestlern absolut keine Unterstützung. Er hat viel weniger Unterstützung als die Oppositionspolitikerin Tichanowskaja in Weißrussland und ist politisch ein Niemand. Nawalny wird von allen politischen Richtungen abgelehnt: von den Liberalen alten Stils, von Oppositionellen, von Nationalisten und von Patrioten.

Moskau ist eine unbeliebte Figur wie Lukaschenko lieber als die antirussische globalistische Junta in Kiew.

Alle Reaktionen und Proteste der europäischen Länder sind völlig künstlich, eine rein virtuelle Politik. Sie sind Globalisten und haben aus dem Nichts diese Figur erschaffen, sie bestehen auf dieser Figur, und beginnen zu glauben, dass sie etwas Wichtiges, etwas wirklich Großes vertritt. Das ist eine totale Fehleinschätzung, weil Nawalny als Kleinkrimineller betrachtet wird, der oftmals gegen das Gesetz verstoßen hat. Aber in den Augen der westlichen Globalisten und Liberalen repräsentiert Nawalny die wirkliche Opposition und gewissermaßen eine Art von alternativer Regierung. Das führt zu der lächerlichen Situation, dass der Westen wegen nichts wütend ist. Es geht um ein virtuelles Bild von Hi Tech und Propaganda und der Westen hat den Realitätssinn verloren und glaubt seinen eigenen Illusionen. Dasselbe virtuelle Bild der Globalisten haben wir in der amerikanischen Wahl gesehen: Dämo- nisierung, das Hacken von Konten in sozialen Medien und die Fälschung von Wahlergebnissen. Die Globalisten erschaffen eine Illusion, sie glauben an ihre Illusion und sie leben in ihrer illusionären Welt.

Zur Zeit:  Sie haben vorhin Weißrussland erwähnt: Erwarten Sie in Minsk eine Revolution nach dem Vorbild des Maidan vor sieben Jahren in der Ukraine, der vom Westen und vor allem von den USA unterstützt wurde?

Alexander Dugin: Ich denke, dass Präsident Lukaschenko bereits gewonnen und die gefährliche Phase des Protests überstanden hat. Die Farbenrevolution in Weißrussland gehört bereits der Vergangenheit an, sie geschah bereits und sie war nicht erfolgreich wegen der starken Position von Lukaschenko und wegen seiner Unterstützung durch Russland. Lukaschenko ist nicht jemand, der als Hauptverbündeter Russlands angesehen wird, weil es viel Kritik von Moskau an Minsk und umgekehrt gibt. Aber Russland versteht, dass es besser ist, eine nicht so beliebte Figur wie Lukaschenko in Minsk zu haben als dass so etwas geschieht wie in der Ukraine, wo jetzt eine nationalistische, globalistische, antirussische Junta ander Macht ist.

Ich sehe keine Anzeichen, dass sich in Weißrussland eine Farbenrevolution ereignen könnte. Aber ich denke, die Globalisten werden ihre Unterstützung des Protests in Weißrussland fortsetzen und vielleicht werden sie versuchen, dasselbe in Russland zu tun. Aber in Russland gibt es dafür überhaupt keine Basis. In Russland ist nicht jeder glücklich mit Putin, aber niemand will die Ereignisse am Mai- dan oder in Minsk wiederholen und ich denke, mit Biden sollte Russland in Bezug auf Farbenrevolutionen zum Gegenschlag ausholen und einen Weg finden, um vorbereitet zu sein, mit einer amerikanischen Regierung umzugehen, die nicht zögert, Farbenrevolutionen gegen das eigene Volk einzusetzen. Wir wissen, mit wem wir es zu tun haben und Russland versteht die Ernsthaftigkeit der Gefahr, die von manchen Protestunterstüt- zem im Westen ausgeht.