Merkel: Ein Abschiedsblick
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Aus dem Englischen übersetzt von Alexander Markovics
Putin hat immer eine gewisse Sympathie für Deutschland gehabt. Diese resultiert aus seiner persönlichen Erfahrung, seiner Kenntnis des Landes und der Sprache, aber auch aus der geopolitischen Orientierung hin zum Aufbau von Großeuropa – von Wladiwostok bis Dublin – bei dem Deutschland tatsächlich dazu aufgerufen ist, die Hauptrolle zu spielen. Deutschland ist das Zentrum der souveränen Wirtschaft Europas, so wie Frankreich, hauptsächlich unter De Gaulle, in der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg für gewöhnlich das Zentrum der souveränen Politik gewesen ist. Dieses deutsch-französische Bündnis ist zur Grundlage für ein vereintes Europa geworden. Ursprünglich ist es ganz anders geplant gewesen, als es sich später entwickelt hat. Europa ist dazu bestimmt gewesen, ein unabhängiger Pol der Multipolaren Welt zu werden, unabhängig sowohl von uns Russen als auch den Vereinigten Staaten von Amerika, wobei es gleichzeitig freundschaftliche Beziehungen zu beiden erhalten sollte. In den letzten 30 Jahren ist Europa nicht besonders stark von uns abhängig gewesen, dafür aber umso exzessiver von den USA.
Das hat Europas Zustand von einem souveränen Pol in eine abhängige Militärkolonie verwandelt, in eine Kaserne für amerikanische Soldaten. Und jeder freie Wille wird in Europa von folgsamen amerikanischen Vasallen erstickt, die hauptsächlich aus den Staaten Osteuropas kommen. Sie sind uns los geworden, nur um vor Washington zu kriechen. Sie können keinerlei Verantwortung für Europa tragen und werden das auch nie tun. Sie funken nur überall dazwischen.
Europa ist also gelähmt und auf unbestimmte Zeit verschoben – das echte, souveräne, deutsch-französische Europa. An seiner statt existiert gewissermaßen ein Missverständnis. Und Merkel-Deutschland ist das wirtschaftliche Zentrum dieses Missverständnisses. Keine besonders ehrenvolle Position...
In den frühen 2000er Jahren, während der US-Invasion des Iraks, hat das souveräne Europa versucht, vertreten durch Gerhard Schröder und den französischen Präsidenten Jacques Chirac, sich ein letztes Mal zu behaupten. Daraufhin ist die unglaublich verheißungsvolle Achse Paris-Berlin-Moskau skizziert worden. Ihre Verwirklichung hätte einen Durchbruch in Richtung Multipolarität bedeutet. Dann hat sich Deutschland beinahe für die Alternative zum liberalistischen Pfad entschieden, den Keynesianer Oscar Lafontain, Lehrer der heißblütigen Sarah Wagenknecht. Auch Chirac hat offen eine Rückkehr zur Politik von De Gaulle verkündet. Putin hat im Rahmen seines Beitrags die eurasische Dimension für diese Konstruktion zur Verfügung gestellt.
Washington ist erschauert, als das liberal-globalistische Konstrukt und die alleinige Hegemonie der USA in Frage gestellt worden sind. Alle Anstrengungen sind darauf konzentriert worden die multipolare Bedrohung und den drohenden europäischen Kontinentalismus, der Arm in Arm mit dem russischen Eurasismus gewesen ist, zu neutralisieren. In genau diesem Moment hat Merkel Schröder ersetzt, der natürlich zu Gazprom gegangen ist, und Sarkozy hat den Platz von Chirac eingenommen. Anstatt im Sinne Lafontaines zu handeln, hat Merkel gegenüber den Liberalen nachgegeben und Sarkozy hat den Gaullismus lediglich parodiert. Die Achse Paris-Berlin-Moskau ist damit untergraben gewesen. Die europäische Souveränität ist verschoben worden.
Wie sich aber am Ende herausgestellt hat, ist Merkel, trotz ihres ganzen Atlantizismus, nicht die schlechteste Kanzlerin gewesen. Ja, sie hat sich in kritischen Momenten immer auf die Seite der USA geschlagen. Wenn sie aber dazu in der Lage war, hat sie immer versucht die Beziehungen zu Russland zu retten. Letzten Endes wäre ohne ihre persönliche Unterstützung Nord Stream 2 niemals zu Stande gekommen. Natürlich liegt sie im vitalen Interesse Deutschlands. Natürlich ist das in den Augen Washingtons kein Argument. Die Vereinigten Staaten erkennen niemanden als Verbündeten oder Partner an. Jene, die sich um sie kümmern, sind ihre Marionetten und müssen tun, was ihnen befohlen wird.
Angela Merkel hat die Spielregeln gründlich studiert und akzeptiert. Doch trotz alledem, alledem... hat etwas wahrhaft Deutsches und sogar Ostdeutsches, Preußisches in ihr existiert. Die Deutschen sind kein Volk, dass man wie Sklaven beherrschen kann. Folglich hat Merkel dem russischen Präsidenten einen besonderen Blick zugeworfen. In diesem hat man, wenn man denn gewollt hat, etwas Kontinentales, gewissermaßen Multipolares und sogar Eurasisches erkennen können. Angela Merkel hat es aber sorgsam verborgen.
Bei einem Treffen mit Putin hat die scheidende deutsche Kanzlerin Putin diesen letzten Blick zugeworfen. Ja, es handelt sich bei ihr nicht um Schröder. Aber es hätte schlimmer kommen können. Es besteht die Möglichkeit, dass Deutschland nach Merkel von jemand viel Schlechteren geführt werden wird. Jedoch besitzt die deutsche Seele viele Schichten. Wer weiß, was noch kommen wird...
Merkels Abschiedsbesuch wird vom Start von Nord Stream 2 begleitet. Merkel hat Europa nicht souverän gemacht, aber sie hat Nord Stream 2 verteidigt. Und bei diesem handelt es sich um eines der wichtigsten Bestandteile von Europas Energiesicherheit.
Und das ist gut so. Auf Wiedersehen, Angela!