Einführung in die Noomachie (Zehnte Einheit) – Die Noomachie im 21. Jahrhundert
Haupt-Reiter
Dies ist nun die zehnte und letzte Vorlesung, die das Endergebnis dieses Kurses darstellt, der als eine Einführung zur Noomachie betrachtet werden kann. Die zehnte Einheit ist der Noomachie im 21. Jahrhundert gewidmet. In der Soziologie sagt man, dass wir gerade an einem Wendepunkt leben, nämlich der Transformation der Moderne in die Postmoderne. Wir haben die Moderne nun also als Rückkehr oder Rache des logos der Kybele identifiziert. Jetzt können wir uns fragen, „Wer ist der logos der Post-Moderne?“ „Welche Art von noologischer Struktur besitzt er?“. Der logos der Post-Moderne ist gewissermaßen die Vollendung der kybelischen Revolution. Es ist das logische Ende, die logische Konsequenz der vorhergehenden Moderne. Wir sollten uns also nicht von der anti-modernen Sprache der Post-Moderne täuschen lassen. Der Post-Modernismus ist im Grunde genommen modern. Er ist die Essenz der Moderne, keine Alternative zu ihr.
Der Post-Modernismus wie er ist, zuallererst in der französischen Philosophie, gründet auf der Idee, dass die Moderne nicht genug ist. Anders gesprochen, ist die Moderne nicht die reine Moderne. Sie begann mit der Frankfurter Schule, die sagte, dass „Die Aufklärung aufgeklärt werden muss“ und das „Die Aufklärung nicht wirklich aufgeklärt war und wir deswegen die reine Moderne reinigen müssen“. Dies stellt eine Art Reinigung der Moderne dar, die von allen Resten der Tradition befreit werden soll. Die Idee der Post-Moderne besteht also darin, die historische Moderne zu Ende zu bringen und eine „reine Moderne“ zu erschaffen. Im philosophischen Sinn ist es die Idee, eine reine Immanenz, reine Materie und einen reinen Körper – um mit Deleuze zu sprechen – zu erschaffen. Den Denkern der Postmoderne zu Folge war alles an der Moderne zu stark von der Vor-Moderne und damit der Tradition durchdrungen, zum Beispiel die Vernunft. Die menschliche Vernunft wurde zum Schlachtruf im Kampf gegen die Theokratie, gegen die Kirche und gegen die Theologie. All das wurde im Namen der menschlichen Vernunft getan. Das war die Position der Avantgarde im Kampf für die Moderne.
Die Postmodernisten hatten jedoch entdeckt, dass nach dem Sieg der menschlichen Vernunft über die Theologie und der Erschaffung einer absolut autonomen Wissenschaft und Philosophie, sie unter diesen neuen Umständen eine Art Dominanz entdeckten, einen philosophischen Faschismus. Aber diesmal wurden die menschliche Vernunft und das menschliche Gehirn als eine radikale Diktatur angesehen. Davor bestand die Idee der Moderne darin, die menschliche Vernunft von der Theologie zu befreien (daher auch Name Liberalismus). Nun sei es an der Zeit den Menschen auch von der Vernunft zu befreien, denn die Vernunft ist eine Diktatur. Die Vernunft sieht voraus, was zu machen ist. Sie setzt sich mit unausgeglichenen radikalen, hierarchischen Systemen in Klassen auseinander, durch Klassifizierungen. Daher müsse man in der Postmoderne zur nächsten Stufe voranschreiten. Es geht nicht mehr um die Befreiung „der“ Vernunft, sondern um die Befreiung „von“ der Vernunft.
Dies ist das Konzept der schizophrenen Revolution von Gilles Deleuze und Félix Guattari, das man als Anti-Ödipus bezeichnet. Das Konzept Freuds stellte zum Beispiel eine Art moderne Revolution gegen die Rationalität dar. Es war auch eine Einführung in die Postmoderne, da die Vernunft in Frage gestellt und mit Zweifeln belegt wurde, um das Funktionieren des Hirns durch die irrationale Motivation des Hirns durch das Unterbewusstsein zu erklären. Doch Deleuze und Guattari entdeckten in der reinen Postmoderne, dass die Theorie Freuds eine Reflexion des männlichen Verständnisses der Funktion des Unterbewusstseins darstellte. Der Ödipuskomplex war eine männliche Projektion, daher schlugen sie vor, eine weibliche, feministische Psychoanalyse zu erschaffen, die nicht vom paranoiden, partikular männlichen Konzept des irrationalen Begehrens beeinflusst werde. Dies war also die Idee, allen Irrationalismus zu Ende zu bringen und dabei entdeckten sie zwei Typen des psychologischen Systems: Das paranoide und das schizophrene System. Das Paranoide war hierarchisch und die Vernunft wurde nach Deleuze und Guattari als paranoid angesehen, die Schizophrenie aber stelle eine Spaltung des inneren Selbst’ dar, die viel stärker feministisch und egalitärer ist. Daher müsse man die schizophrene Haltung als die normative Haltung der Gesellschaft propagieren. Und dazu gehört auch der Kampf gegen das Gehirn und dessen Diktatur. Wir müssen also die verschiedenen Organe befreien, so Deleuze und Guattari. Sie sollten sich ihrem Willen entsprechend verhalten, ohne dem „Hitlerismus“ des Geistes unterworfen zu sein. Die Postmoderne stellt also den Kampf gegen jede Art von vertikaler Hierarchie dar, nicht nur im traditionellen, sondern auch im individuellen Sinne.
Zuerst hatten wir es mit dem Kampf gegen Alles zum Wohle des Individuums zu tun und nun ist es die Konstruktion des Individuums selbst, welche als zu apollinisch angesehen wird (um bei unseren Begriffen zu bleiben). Eben weil der Mensch vertikal ist, ist er nicht normal. Dadurch wird eine Art Privileg des Kopfes und des Gehirns erschaffen, weil sie sich an der Spitze des menschlichen Organismus befinden. Wir müssen in den Augen Deleuzes und Guattaris aber das genaue Gegenteil machen, wir müssen ‘wie Schlangen kriechen’. Wir müssen unseren Organen die volle Freiheit gewähren und unseren Körper nicht als Königreich der Vernunft, sondern als eine Art parlamentarische Versammlung der Organe betrachten, die politische Parteien organisieren könnte, Wahlen zur Richtungsentscheidung treffen kann, die nicht von der Vernunft diktiert, sondern von den anderen Organen propagiert und unterstützt werden können. Die radikalste Idee lag darin, dass auch die Organe selbst totalitär sind, weil sie zu viele besondere Formen besitzen. Sie hätten sich einer mechanischen Funktion angepasst, also müssten wir den Körper ohne Organe betrachten. Das ist das Konzept – der Körper soll ohne jegliche Form existieren, ohne jeden organischen Status. Das könnte man durch die virtuelle Existenz erreichen. Diese ist ein zweidimensionaler Raum und wir müssen in dieses Netzwerk auswandern, um sie nicht mit unseren Organen, sondern mit unseren ganzen Körper auszufüllen. Das ist das Rhizom, das Konzept welches das Individuum ersetzen soll. Das Rhizom ist ein Netzwerk der Menschheit, das nicht vereint ist und mit jedem als Individuum agiert, sondern zwischen Organen in einer komplett schizophrenen Art. Eine Hand kann sich also auf ihre eigene Art benehmen, anders als die andere Hand.
Wir haben es in den Netzwerken auch mit einer Verschwendung der Persönlichkeit mit den Avataren und den Namen zu tun. Dort können wir das Geschlecht ändern, das Alter, alles – sogar die Persönlichkeit. Wir können uns selbst verschwenden. Und das nicht nur in Rollen, denn der Mensch besteht laut der Soziologie aus einer Versammlung von Rollen. Diese sozialen Rollen und Beziehungsspiele werden durch das Netzwerk verteilt und aufgelöst, wodurch auch etwas neues, das Rhizom entsteht.
Rhizom bedeutet auf Griechisch Wurzel, aber nicht etwa die Wurzel einer Pflanze, sondern eher das Wurzelgeflecht einer Kartoffel oder eines Pilzes. Diese expandieren nicht in einer vertikalen, sondern in einer horizontalen Ebene. Und darin besteht symbolisch die nächste Stufe hin zur postmodernen Gesellschaft. Sie ist nicht das Individuum, sondern das Dividuum. Es gibt also eine neue Stufe der Immanenz und des Materialismus. Es handelt sich dabei nicht um den Materialismus der Dinge, sondern um den Materialismus von etwas, das sich unter den Dingen befindet. René Guénon nannte dies die „unterkörperliche Welt“ und diese „unter-körperliche Welt“ wurde in den traditionellen Religionen von rein unterirdischen Wesen bewohnt. Dieser Materialismus besteht darin, den Menschen in eine Versammlung von Dämonen zu verwandeln. Das ist die Idee von Deleuze. Und um die Möglichkeit zu eröffnen, dass der materielle Geist durch uns lebt und sich in uns offenbart und sich in uns frei als eine Art Parlament der Organe und Begierden, sowie der Begehrensmaschinen die im Netzwerk verteilt sind, ausleben kann. Dabei handelt es sich somit um die Zerstörung jeder vertikalen Form auch in ihrer frühen liberalen und kapitalistischen Version. Hier ist der Unterschied zwischen dem klassischen Liberalismus (der ersten politischen Theorie) und dem Post-Liberalismus nur sehr gering. Es ist eine Mischung zwischen Kommunismus und Marxismus, die nicht das Proletariat oder den Klassenkampf verteidigt, sondern Hand in Hand mit dem Liberalismus den Materialismus und Egalitarismus beschützt. Daher handelt es sich beim Postmodernismus um eine Art Kulturmarxismus gemischt mit Liberalismus (genauer gesagt Linksliberalismus). Das ist die neue Version des Liberalismus. Während der alte Liberalismus sich mit dem Individuum beschäftigte und mit ihm operierte, dämmert nun das Dividuum heran.
Die normale menschliche Vernunft wird durch die künstliche Intelligenz ersetzt. Die Netzwerke sollen die gewöhnlichen Beziehungen ersetzen und schließlich die Virtualität die Realität. Ich habe die gestrige Präsentation des Buches „Netzwerkkriegsführung“ zum Teil diesem postmodernen Horizont und seiner Perspektive gewidmet. Die Idee dahinter besteht darin, alles das im Paradigma der Moderne als Realität angesehen wurde, durch die Virtualität zu ersetzen. Doch ist die Virtualität nicht nur eine Reflexion der Realität – hier haben wir es mit einem sehr interessanten Moment zu tun. In der Virtualität findet die Reflexion der Realität oder die Übersetzung von etwas Realem in etwas Digitales statt. Danach wird mit etwas Digitalem gearbeitet. Die Verbesserung des Tons zum Beispiel oder eines Bildes mit Photoshop, dabei kommt es zur Klang, bzw. Bildverbesserung sowie der neuen Emulation oder Verschönerung eines Abbilds der Realität. Wenn man mit einem 3D-Drucker druckt, druckt man zum Beispiel zurück in die Realität. Der wichtigste Aspekt ist dabei die Autonomie dessen was digitalisiert wird. Diese Realität, die im Computer in Zahlen zerlegt wird, wird als die allerwichtigste Sache angesehen. Denken wir nur an die Kreditkarte. Es gibt Zahlen, etwas Elektronisches, einen Kalkulationsprozess. Wir geben Geld auf die Karte und nehmen Geld, wobei es durch eine virtuelle Instanz geht. Hier ergibt sich die Möglichkeit mit unserem Geld alles zu machen, weil es nicht materiell ist. Und die Virtualität besteht in der Idee, dass wir diese Art von Operation nicht zu oft durchführen werden. Wir transformieren die Realität nicht in Virtualität und wir emulieren die Realität nicht zurück. Wir sind zufrieden damit bei der Kreditkarte und dem virtuellen Geld zu bleiben. Wir zahlen kein Geld auf sie ein und heben wieder welches von ihr ab. Wir haben eine Kreditkarte und sind damit zufrieden und glücklich. Wir verstehen, wie sie funktioniert, also sind wir glücklich darüber eine zu haben.
Kommen wir nun zu den Offline-Beziehungen am Beispiel des Datings. Am Anfang steht das Photo, das Photo eines Mädchens und eines Mannes (ich gehe von normalen Beziehungen aus). Und dann gibt es die Möglichkeit einer Online-Begegnung, eines Treffens und dann die Offline-Ebene. Die Offlinebegegnung kann enttäuschend sein, wenn Sie sich aber beweisen und die Qualität des Mädchens oder des jungen Manns bezeugen, den sie im Internet gesehen haben und ihm mit der Realität vergleichen, dann stellt er eine Emulation der virtuellen Persönlichkeit dar. In der Postmoderne wird uns nahe gelegt, diese virtuellen Bilder so anzunehmen, wie sie sind, einfach mit ihnen zu leben und sie nicht zu hinterfragen. Sie können eine Persönlichkeit Ihrer Wahl erschaffen und in nicht allzu ferner Zukunft Ihren eigenen Körper. Und das hat alles bereits begonnen mit der Emulation des Körpers und der Erschaffung verschiedener Organe mit dem 3D-Drucker. Das ist der reine Avatar. Ein weiteres Beispiel ist die gegenwärtige Verbesserung des Körpers mit Botox, der Kampf gegen das Altern und die künstlichen Anpassungen der weiblichen wie männlichen Figur in der modernen westlichen Gesellschaft. Eine Emulation des Körpers ist also möglich. In diesem Prozess verlieren wir das Individuum und werden zu einer Kombination von Teilen. Wir können Dinge in Zahlen und Berechnungssequenzen umwandeln und selbst emuliert werden. Wir können in der Virtualität verschwinden und in der Realität wieder auftauchen und dabei vielleicht verbessert zurückkehren. Es handelt sich hierbei also um keine reine Reflexion. Dadurch wird Virtualität zu etwas Primordialem, etwas das zuerst kommt. Wir können also zum Beispiel etwas emulieren, dass in der Realität nicht existiert, Chimären, Cyborgs, Zentauren und Russalkas zum Beispiel. Wir können in der Zukunft etwas ausdrucken das keine Reflexion der Realität und nur ein Produkt der virtuellen Phantasie ist.
Wir haben mehr und mehr Vertrauen in etwas Virtuelles und werden dabei ersetzt, wir werden in das Reich der Virtualität transferiert und damit immer virtueller. Die künstliche Intelligenz ist die Grenze davon. Es wird keine getrennten Individuen mehr geben, sondern ein Netzwerk. Bei der künstlichen Intelligenz handelt es sich nicht um einen besonders intelligenten Kerl oder eine kluge Frau, sie ist vielmehr ein Netzwerk, dass auf viele Computer aufgeteilt ist. Das ist das neurale Netzwerk, das dazu in der Lage ist, etwas Neues zu schaffen und sich etwas Neues vorzustellen.
Es gibt zwei Arten von künstlicher Intelligenz: Schwache künstliche Intelligenz und starke künstliche Intelligenz. Eine schwache künstliche Intelligenz wurde bereits erzeugt. Dabei handelt es sich um Datenbanken, welche über großes Wissen über die Menschheit in digitalisierter Form verfügen. Darin befinden sich große Massen an Büchern, Wissen, Technologie – all das befindet sich griffbereit in Computern, wodurch wir sofort auf dieses oder jenes Buch zugreifen können und es in unserem Gedächtnis haben. Wenn wir also permanenten Zugriff darauf gewährleisten können, befinden wir uns innerhalb dieser schwachen künstlichen Intelligenz, die an unserer statt Berechnungen durchführen, Vergleiche machen und Sprachen übersetzen kann; sie ist also dazu im Stande, sowohl Dinge zu übertragen als auch semantische Elemente zu verarbeiten. Diese verbessert sich jeden Tag – die Übersetzungen von Google Translate aus dem Englischen und ins Englische werden zum Beispiel jeden Tag besser, auch wenn das bei anderen Sprachen nicht der Fall ist, aber mit dem Englischen wird es immer besser. Wir können also an diesem Beispiel erkennen, wie die schwache künstliche Intelligenz fortschreitet.
Es gibt aber auch die starke künstliche Intelligenz, deren Ankunft für das Jahr 2020 – 2025 erwartet wird, es bleibt uns also nicht mehr viel Zeit bis zum Singularitätsmoment. Der Singularitätsmoment kennzeichnet die Ankunft dieser starken künstlichen Intelligenz, die mit der menschlichen Intelligenz komplett vergleichbar sein wird. Dabei wird es sich nicht um programmierte Operationen, sondern um ein künstliches neuronales Netzwerk handeln. Das Neuronennetz ist ein (mathematischer) Algorithmus, der etwas erschaffen kann, dass nicht von Beginn an in ihm einprogrammiert war. Es handelt sich dabei um die Selbstentwicklung der Berechnung. Auch die einfachsten Neuronennetzwerke sind vom Operator abhängig, entwickelte Neuronennetzwerke sind jedoch unabhängig. Sie werden immer stärker vom Operator unabhängig und könnten daher zu einer Entscheidung kommen, die von ihrem Operator nicht geplant war. Auf diese Art funktioniert auch die menschliche Vernunft. Denn auch sie ist autonom, folgt aber einigen Regeln, weil sich auch die menschliche Vernunft an gewisse Regeln hält. Dieser Singularitätsmoment wird als Wendepunkt betrachtet, als bisher größte Wende in der Menschheitsgeschichte, ab der es keine menschliche Vernunft mehr auf der Erde oder im Raum geben wird. In dieser nächsten Stufe des menschlichen Fortschritts und der Evolution wird etwas uns vergleichbares erscheinen. An unsere Stelle wird eine post-menschliche Spezies treten, ein post-menschliches Wesen.
In der modernen Philosophie gibt es eine Tendenz die man Akzelerationismus nennt und die uns dazu einlädt, den Singularitätsmoment noch schneller und immer schneller zu erreichen, also die Ankunft der Singularität zu beschleunigen. Diese Möglichkeit wird von großen Unternehmen studiert, von Google, Microsoft und anderen. Auch das ist ein Absicherungsprozess. Sie investieren Milliarden in die Entwicklung künstlicher Intelligenz. Und diese Milliarden dienen auch zur Absicherung, werden auch in Sicherheit investiert, um die Gefahren dieser Entwicklung zu identifizieren. Es handelt sich dabei also um einen Hedge Fond für künstliche Intelligenz und Entwicklungsprojekte für diese.
Gleichzeitig wird das Konzept dessen was menschlich ist, in der Postmoderne geändert. Die Post-Moderne bewegt sich also hin zum post-menschlichen, zu einer neuen Evolutionsstufe. Eben da die Moderne auf dem Konzept aufbaut, dass sich der Mensch aus dem Tier entwickelt hat, ist die Singularität die nächste Stufe. Zuerst entwickelte sich das Tier, darauf folgte die Entwicklung des Menschen und danach kommt die Entwicklung der Maschine. Aber die künstliche Intelligenz ist keine Maschine, sie ist etwas anderes. Interessant daran ist, dass um eine künstliche Intelligenz zu erschaffen, wir unsere Gehirne als etwas Künstliches verstehen müssen. Wir können unsere menschlichen Gehirne also nur dann reproduzieren, wenn wir sie als etwas Materielles und Mechanisches betrachten. Genau das ist die Wissenschaft des Kognitivismus, das Studium des bewussten Körpers, der Bewusstseinsprobleme und der Versuch, die Funktion der menschlichen Vernunft zu emulieren. Aber um dies zu bewerkstelligen, müssen wir die Menschen im Hier und Jetzt in Maschinen verwandeln. Dies wird den Prozess erleichtern und genau das geschieht gerade.
Und nicht zuletzt: Heute werden die Menschen einander immer ähnlicher. Wir werden immer künstlicher, denn die politische Korrektheit ist eine neue Spielart des Totalitarismus.
Sie versuchen uns davon zu überzeugen, wie genau man zu denken hat, was die normative Denkart sein solle und preisen dabei Rede- und Versammlungsfreiheit. Gleichzeitig werden wir immer weniger frei. Jedes Infragestellen dieses Prozesses wird als Verbrechen betrachtet, als Gedankenverbrechen, als Meinungsverbrechen. Wenn Sie damit aber nicht einverstanden sind, werden Sie zum Faschisten, genauso wie wenn Sie Auschwitz oder den Stalinismus verteidigen würden – es ist für die Befürworter des Fortschritts dasselbe. Sie dürfen also nicht die Evolution und den Fortschritt in Frage stellen. Sie können zum Beispiel nicht sagen: „Lasst uns unsere Gesellschaft so erhalten, wie sie ist!“. Die hysterische Reaktion der amerikanischen Gesellschaft auf den Sieg Trumps ist ein Beweis dafür, wie intolerant die Progressiven sind. Trump ist aber auch keine Alternative zu ihnen. Er hat nicht vor, die Forschung im Bereich der Künstlichen Intelligenz zu stoppen. Er protestiert nicht gegen die „Gay Pride“ Paraden usw.; er ist sogar sehr tolerant. Doch er ist weniger fortschrittlich als von den Anhängern des Fortschritts als notwendig erachtet wird und darum gilt er als ein Faschist. Es stehen russische Faschisten hinter ihm. Wenn Sie also nicht fortschrittlich sind, sind Sie ein Feind des Fortschritts. Die Konsequenzen davon können wir im Verbot meines Buches auf Amazon sehen: nämlich dass in der Freien Welt jeder das absolute Recht genießt alles zu sagen, außer wenn das Gesagte den status quo herausfordert. Es ist Ihnen erlaubt, komplett frei und liberal zu sein: rechtsliberal, linksliberal oder zentristisch. Aber es ist Ihnen nicht erlaubt anti-liberal zu sein. Wenn Sie nicht liberal sind, machen Sie sich verdächtig. Vielleicht sind Sie ein Terrorist, ein Fundamentalist, ein Russe oder Trumpanhänger und so weiter.
Das alles stellt eine Karikatur dar. Wir erkennen, wie diese Art der politisch-totalitären Propaganda ohne jede Vernunft funktioniert, weil alles virtuell ist. Ein Beispiel dafür ist die russische Einmischung in die amerikanischen Präsidentschaftswahlen. Es gibt keinen Beweis dafür, das ist alles virtuell. Sie konnten keinen Beweis dafür in der Welt der Netzwerke finden. Sie wiederholen einfach immer wieder diese Anschuldigungen – man kann das als einen Algorithmus betrachten. Zum Beispiel zitiert jeder die New York Times oder die Washington Post als würden sie die Wahrheit darstellen, dabei sind sie nur ein Algorithmus. Es handelt sich dabei um eine Emulation des status quo, die komplett ohne Beziehungen zur Realität existieren kann. Oder Sie können etwas einfach übertreiben, ein kleines Element, oder Sie könnten es mit etwas anderem kombinieren. Ich gebe zum Beispiel der westlichen Presse viele Interviews, aber nur jene Fragmente, die dem entsprechen, was sie von mir erwarten, werden gedruckt und ausgestrahlt. Zum Beispiel habe ich in einem Interview mit der BBC gesagt, dass russische Oligarchen den Wahlkampf von Hillary Clinton finanziert haben. Nein, das wurde mit keiner Silbe erwähnt und berichtet. Als ich gefragt wurde, ob die Russen die Wahl Trumps unterstützt haben, habe ich „nein“ gesagt, aber sie berichteten hingegen: „Ja, haben sie“. Wenn sie also eine komplett gegenteilige Reaktion erhalten, kümmert es sie nicht. Sie emulieren, was sie brauchen. Dabei handelt es sich um eine Information, die unabhängig von dem ist, was zuvor an Informationen zerstört und verarbeitet wurde. In der Postmoderne stirbt also die Information zuerst. Und Sie können sich die Information einbilden und beliebig zusammensetzen. Also kann sie niemand verifizieren. Wenn wir ein Bild sehen, etwas lesen, es wiederholen, wenn das in vielen anderen Agenturen auch verteilt wird, dann ist das die Wahrheit. Daher handelt es sich dabei um eine Emulation und nicht um eine Reflexion.
Im metaphysischen Sinn bedeutet diese Entwicklung eine Verschiebung vom Realen ins Virtuelle. Die Virtualität ist also wichtiger als die Realität, eben weil sie keine bloße Reflexion der Realität, sondern die grundlegende Emulation von ihr darstellt. Es handelt sich um eine Empörung alten Stils bei jenen Menschen, die sagen: „Lasst uns die Realität gegen die Virtualität verteidigen“, denn das ist unmöglich, weil uns die Realität von der Moderne gebracht wurde. In der Welt der Tradition, des apollinischen logos existierten die Ideen. Die Ideen waren echte Wesen, Geister, Gott, etwas Verstecktes, etwas Himmlisches, etwas Göttliches, das als das grundlegende Argument für die Realität existierte. Die Realität bezog ihr Sein also aus der Tatsache, dass sie von Gott erschaffen worden war. Die Schöpfung war die ontologische Erklärung für die Realität. Als wir einen Schritt weg vom logos des Apoll und der Grundlage der Realität machten, als wir die Vernunft als solche akzeptiert hatten, den Mensch als solchen, die Welt als solche, die Natur als solche und die Substanz ohne Autor, hatten wir bereits alle Beziehungen mit der metaphysischen Grundlage der Existenz gekappt. Die Realität ist virtuell. Aus diesem Grund ist diese Verschiebung von der Realität zur Virtualität möglich. Metaphysisch gesprochen, können wir nicht die Realität verteidigen ohne zuerst die Spiritualität zu retten. Denn die metaphysische Grundlage der Realität war nicht real, sondern vor-real. Die Ideen existieren in der Realität, die ewigen Ideen des Dings. Wenn wir sie abschneiden und das verleugnen könnten, haben wir Dinge, aber die Dinge sind genauso wie die Realität schlussendlich nicht real. Sie sind bereits etwas Virtuelles, etwas Emuliertes, ein Simulacrum und nicht das Ding. Die Virtualität ist die letzte Konsequenz dieses Prozesses. In der Postmoderne gibt es nichts Neues. Es scheint besonders neu und sehr modern zu sein, ist aber die logische Schlussfolgerung der Moderne.
Wenn wir also nun darüber nachdenken, worin die noologische Analyse der Postmoderne besteht, müssen wir anerkennen, dass sie im Vergleich zur Moderne nichts Neues ist, sondern ihre finale Phase. Als wir über den logos der Kybele gesprochen haben, haben wir festgestellt, dass die Postmoderne die absolute Dominanz des kybelischen logos darstellt. Der logos der Kybele breitete sich während der Moderne aus und hat nun seine größte Ausdehnung erreicht. Es gibt also verschiedene Augenblicke in der Noomachie. Es gibt den Kampf und den Zeitpunkt, wenn der Kampf vorbei ist. Im Sinne der christlichen Eschatologie haben wir es also mit dem Königreich der scharlachroten Frau zu tun und der totalen Herrschaft der Großen Mutter in ihrer Vollendung. Aus diesem Grund gibt es heutzutage den Feminismus.
Nun einige Worte zum Feminismus - es könnte auch andere Formen des Feminismus geben. Der moderne Feminismus ist anders, doch ich möchte herausstellen, dass es einen anderen Feminismus geben könnte, den ich Hekatefeminismus nenne. Dieser basiert auf der sehr besonderen Figuren der großen Gottheit Hekate, die in der frühen griechischen Geschichte von Hesiod als die Gottheit beschrieben wurde, die jede Frucht gibt, jedes Ding das begehrt wird, doch wenn Hesiod von dem spricht was Hekate gibt, dann spricht er von „der Weisheit, der Tapferkeit, dem Sieg im Kampf und dem Vieh“, nicht aber von den Feldfrüchten. Hekate war im ursprünglichen Sinn also eine turanische Gottheit und stellte gewissermaßen den femininen Archetyp der Turaner dar. Danach wurden sie mit Demeter und Persephone assoziiert und in das Reich der Nacht und der Unterwelt verbannt. Hekate war ursprünglich jedoch keine chthonische Gottheit. Sie war eine himmlisch-feminine Figur. Im Hekatefeminismus ist es die Würde der Frau die patriarchale Werte reflektiert, wie am Beispiel von Athene ersichtlich wird. Athene stellt den reinen Typ dessen dar, was man als das rein Patriarchalische bezeichnen kann: Die Weisheit der Priester und den Heroismus der Krieger. Das war der Hekatefeminismus. Vielleicht kann er wieder zum femininen indoeuropäischen Prinzip werden und die falsche, abweichende Form des materialistischen Patriarchats ersetzen. Der Hekatefeminismus ist also die Wiederherstellung der Würde der Frau als Freund und Verbündeten des Mannes, des indoeuropäischen Mannes. Dies ist ein indoeuropäischer Feminismus als Gegenspieler des logos der Kybele, da er eine Glorifizierung des femininen Prinzips eines rein indoeuropäischen logos darstellt. Interessant ist dabei, dass in der Tradition der Hindus das Konzept der Shakti existiert. Die Shakti ist dabei nichts, dass sich gegen das männliche Prinzip richtet. Sie ist vielmehr eine Macht dieses männlichen Prinzips. Dieses wird auch von der Schechina in der Kabbalah verkörpert. Sie ist also das weibliche Prinzip des Lichts und keine chthonische Gottheit. Dies trifft jedoch nicht auf den heutigen Feminismus zu, da der heutige Feminismus postmodern und absolut anti-indoeuropäisch sowie rein kybelisch beschaffen ist.
Dabei handelt es sich nicht um den Anfang der Befreiung der Frau. Im Gegenteil: Es geht dabei um die totale Vernichtung des Mannes, die mit der Moderne begann. Die materialistischen Grenzen, die dem Mann gesetzt wurden mitsamt der Diskreditierung der Priesterschaft und der Mönche sowie der Krieger war bereits ein Sieg des Matriarchats. Der bürgerliche Typ an sich ist matriarchalisch. Wenn also die Frauen in der modernen Welt vortäuschen Macht zu haben, dann ist das, ebenso wie die deleuzische Metaphysik, nichts Neues. Es stellt vielmehr den Abschluss eines Prozesses dar. Die Macht der Kybele tritt heute offen und manifest zu Tage. Und hier eine interessante Anmerkung zum Feminismus: Traditionell können Frauen kein garantiertes Glück erwarten: Es kann passieren, aber auch nicht. Dabei hängt es vom transzendenten Moment ab. Die Frau kann den richtigen Mann treffen, mit ihm Kinder, eine ordentliche Familie haben und glücklich sein, oder auch nicht. All das hängt von einem transzendenten Moment ab. Die Möglichkeit des Glücks hängt also von etwas Anderem ab. Aber der moderne kybelische Feminismus sagt, „Auf Nimmerwiedersehen!“ zu diesem Glück. Das feminine Glück ist für ihn eine Illusion. Es ist mehr ein Traum als real. Es gibt kein weibliches Glück und jede Frau sollte sich davon verabschieden. Es gibt kein Glück, es ist eine Illusion. Es handele sich dabei um einen Trick des Patriarchats um die Frauen unter Kontrolle zu halten. Sie werden niemals das weibliche Glück erlangen, aber stattdessen können sie die Macht haben. Daher tauschen Sie also das problematische weibliche Glück gegen den nicht-problematischen Kampf um die Macht und den Willen zur Macht ein. Dadurch entsteht aber kein Anspruch auf mehr Glück und mehr Gleichheit. Das ist der Kampf um die Macht in der Gesellschaft. Und dieser ist fast erfolgreich gewesen. Wir befinden uns nicht in der ersten Phase des Feminismus, sondern in seiner letzten Stufe. Und dieser Kampf um die Macht und das Konzept der Frau als Macht reflektiert das weibliche Prinzip in der Tradition, da in der indischen Tradition der reine Status, der Purusha, das männliche Prinzip in der Weisheit, ohne Macht besteht. Es ist das reine Licht des Denkens. Und die Macht ist bereits weiblich. Diese Befreiung der Macht von der Weisheit führt zur Macht an sich, der blinden Macht. Genau das passiert im gegenwärtigen Feminismus. Er stellt das Erreichen der absoluten femininen Macht dar, die Frau verliert sich selbst, ihre Natur und ihren Inhalt. Sie wird zur absolut blinden Macht, einer Art Vitalität. Es gibt also die blinde Macht der Dinge an sich, reine Schwere, reine Materie, Materie im orientierungslosen Zustand. Es gibt also kein Glück mehr, aber eine neue Macht und die Verweiblichung einhergehend mit dem Verschwinden des Mannes. Der Mann muss verschwinden. In dieser Situation verlieren sie den Mann, ihren Archetyp und an seine Stelle tritt die Idee der Anerkennung der Homosexualität des Mannes als Norm in der westlichen Gesellschaft, die zum Ende des Mannes führt, sie bedeutet das Ende des Gleichgewichts zwischen den Geschlechtern, das dadurch zerstört wird, alles wird optional und Sie verlieren die beiden Pole von Mann und Frau. Das ergibt den Sieg der Kybele, der nun offen und manifest zu Tage tritt, nicht nur implizit wie in der Moderne, sondern eben explizit.
Nun kommen wir zum Post-Liberalismus. Wenn man den Liberalismus, alleine im freien Raum stehen lässt, gibt es keine zweite oder dritte politische Theorie, wodurch auch die Vierte Politische Theorie als Möglichkeit ausgeschlossen wird. Doch wird auch die Erste Politische Theorie (der Liberalismus) dadurch in eine Art Post-Liberalismus verwandelt. Es gibt kein Individuum mehr, sondern nur das Dividuum, etwas Geteiltes, Tomisches, da das Atom nicht atomisch war. Als man das Atom entdeckte wurde es als etwas erkannt, das man noch weiter teilen kann. Daher ist es nicht atomisch, obwohl das Atom seinem Namen nach unteilbar ist. Wenn aber etwas teilbar ist, dann ist es kein Atom. Wenn Sie also etwas, das teilbar ist, Atom nennen, dann können Sie auch noch immer etwas als ein Individuum bezeichnen, auch wenn es nicht mehr als etwas “in-dividuelles” und damit “un-teilbares” betrachtet wird. Es ist also damit bereits etwas Rhizomatisches, eine Umwandlung, die sich im Zuge der Globalisierung ereignet. Die Globalisierung zerstört jede Art von Gesellschaft, ebenso wie sie die Moderne zerstört. Dem Liberalismus fehlen nationale Grenzen in jeder Hinsicht, genauso wie er überhaupt keine Grenzen kennt. Er besteht aus reinem Kosmopolitismus – er kennt weder Rasse, Ethnos noch Gesellschaft. Jeder kann an jedem Platz im Raum leben. Heute ist es die Freiheit der Individuen, morgen wir es die Freiheit der Netzwerke sein. Denn es ist eine Art Matrix, mit einer künstlichen Intelligenz und Körpern die Körper emulieren. Das Konzept des Körpers kann sich auch wandeln, jedoch wird uns stattdessen die Unsterblichkeit versprochen, aber es handelt sich dabei um die Unsterblichkeit der Maschine, nicht um die Unsterblichkeit des Menschen, denn die Maschine kann nicht sterben. Die Maschine kann angepasst, zerlegt oder zusammengesetzt werden, so stirbt die Maschine nicht. Und wenn wir sagen, dass wir physisch unsterblich werden, bedeutet dies: auf immanente Art. In diesem Moment hören wir auf, menschlich zu sein. Und genau das ist der Singularitätsmoment, der nur wenige Jahre in der Zukunft vor uns auf uns wartet. Wir leben nicht in einer Epoche einhundert oder zweihundert Jahre vor der Singularität. Wir befinden uns bereits kurz vor der Singularität.
Nun kommen wir zu einigen Fragen bezüglich der Rolle Russlands in all dem. Russland, und hier sollten wir keine Fehleinschätzungen treffen, ist eine konservative Gesellschaft, welche den vorhin beschriebenen Prozess zu verlangsamen versucht. Das heutige Russland stellt keine Alternative dar. Es versucht gewissermaßen den gegenwärtigen Trend aufzuhalten, daher ist es in diesem Sinne eine anti-akzelerationistische Macht. Wir sagen: „Nicht so schnell!“ Unsere Gesellschaft, unser Präsident sagt: „Nicht so schnell. Die Richtung ist gut, aber wir wollen jetzt noch nicht dorthin.“ Das ist reiner Konservatismus. Das ist kein Vorschlag zur Wiederherstellung des apollinischen logos. Das ist reine Trägheit. Das ist eine komplett unverantwortliche, aber sehr vernünftige Reaktion auf die Postmoderne. Denn die radikalste Formulierung des russischen logos ist gegenwärtig die Russische Föderation, die sich einer sehr schüchternen Verteidigung der Realität verschrieben hat. Die besten und tapfersten Russen täuschen vor, die Realität gegen die Virtualität zu verteidigen. Sie sind absolute Materialisten und einige von ihnen sogar absolute Modernisten. Aber sie wollen nicht den letzten Schritt in diese Richtung wagen. Es gibt eine stark traditionalistische Gefühlslage im Volk, in unserer Kirche gibt es eine radikale Gruppe die gegen den status quo protestiert, gründend auf dem Berg Athos, auf den Traditionen der Alten, aber es ist eine absolut marginale Minderheit die keinerlei Einfluss auf die Gesellschaft besitzt. Sie werden als komplett verrückt angesehen. Denn unsere Gesellschaft ist archeo-modern. Sie ist modernistisch im alten Sinne, sie kann und will die Postmoderne nicht akzeptieren, besitzt aber auch keinen Willen, kein Begehren und keine Kapazität dazu, zum vor-modernen logos zurückzukehren. Ich nehme an, dass das wohl schlechte Neuigkeiten sind, denn von außen gesehen sieht das alles ganz anders aus. Von außen ist Russland eine konservativ-revolutionäre Macht, die gegen den Westen und all das kämpft. Dem ist aber nicht so! Vielleicht sollten wir diesen Punkt nicht überstrapazieren, aber Russland besitzt großes Potenzial, denn unser Dasein und unser Volk sind der Träger einer katehonischen Mission. Und dies können wir in der Reaktion des Volkes erkennen. Wir besitzen russisches Dasein. Das russische Dasein baut viel stärker auf dem Dionysischen auf als auf dem apollinischen logos, aber es ist gefangen. Unsere Identität ist gefangen. Diese Gefangenschaft ist nicht alleine auf den Liberalismus der 90er Jahre zurückzuführen, sondern auch auf die kommunistische Periode kybelischer Herrschaft. Aber auch das späte Zarenreich der Romanovs war modernistisch, archeo-modern, prowestlich und so weiter.
Russland befindet sich also in Schwierigkeiten: Sein logos, sein Volk, sein Dasein, sein Existenzhorizont. Aber „nichts ist verloren, wenn es etwas gibt, das nicht verloren ist“, um Curzio Malaparte zu zitieren. Daher denke ich, dass wir in einer Lage sind, die sich strukturell nahe am serbischen Volk befindet. Wir haben andere Ausmaße, eine andere Macht, einen anderen Raum und eine unterschiedlich große Bevölkerung, aber das Problem bleibt das gleiche. Russland kann also nicht als Antwort, geschweige denn als Alternative angesehen werden zu allem was gegenwärtig passiert. Es handelt sich bei ihm nur um einen Ort, an dem die Noomachie noch immer weitergeht, wobei der kybelische logos dominiert. Wir befinden uns also innerhalb von Kybele, nicht außerhalb von ihr. Darauf wurde auch von Milos Crnjanski als letzter Punkt in seinem Buch hingewiesen. Russland ist gut, aber nicht die Antwort auf der Suche Serbiens nach seiner Identität. Das Ergebnis von Milos Crnjanskis Zusammenfassung ist tragisch, weil die Serben dadurch gewissermaßen ins Exil geschickt werden, ins dauerhafte Exil, ohne ein Mutterland, das für sie übrigbleibt. Aber alle Hoffnungen die auf Russland liegen sollten an der pessimistischen, jedoch sehr offenen Lösung von Milos Crnjanski gemessen werden, weil er Russland liebte und die Serben Russland lieben. Und das ist auch gut so, aber wenn wir falsche Erwartungen haben, könnten wir die Frage nicht begreifen und uns im Kampf mit etwas vereinen, dass bereits vollendet ist. Dies ist besonders wichtig für die Serben und alle anderen, die um ihre Identität kämpfen, nämlich zu wissen, dass Russland bereits auf dem Schlachtfeld steht und kämpft. Russland ist bis jetzt noch nicht formell besiegt, denn unser Volk existiert. Aber wir haben so große Probleme mit dem russischen logos, dass wir mit der Erschaffung der russischen Philosophie in dieser Situation nicht fortfahren können, da wir von den Kommunisten darin drastisch eingebremst wurden. Aus diesem Grund befinden wir uns außerhalb des Ortes, wo die Philosophie wirklich anfängt. Und dieser Ort wurde bis jetzt noch nicht erreicht. Wir kämpfen, um dorthin zu gelangen. Aufgrund des großen Schadens den wir während der letzten hundert Jahre erlitten haben, konnten wir diesen Prozess nicht von Neuem beginnen. In Russland herrscht heute der reinste soziale Wahnsinn. Wir können mit niemandem sprechen. Als Volk sind wir sehr gut, offen und auch sehr christlich, aber nicht als Träger einer intellektuellen Tätigkeit. In einem so großen Volk sind nur so wenige Menschen dazu in der Lage richtig zu denken, es ist unvorstellbar. Das ist eine Art tiefer, dogmatischer Schlaf (nicht dogmatisch im positiven Sinne, er ist adogmatisch) ein moderner, post-moderner Schlaf, der konservative Schlummer des Volkes. Wir schlafen, doch das Gute daran ist, dass wir wieder aufwachen können, lasst uns das zumindest hoffen!
Wenn wir zum nächsten Moment voranschreiten stellt sich die Frage: Was ist das Problem der Post-Moderne? Die Post-Moderne ist das Problem des Dionysos, weil wir den logos des Apoll nicht direkt anrufen können, da er sich außerhalb der Reichweite unseres Verständnisses befindet. Er ist vor langer, langer Zeit verschwunden, als solcher wahrscheinlich mit dem Ende des Mittelalters, wahrscheinlich sogar früher. Wir haben nur die Figur des Dionysos, diese ist die Sonne inmitten der Nacht. Es handelt sich dabei also um einen verborgenen Intellekt, das ist der verborgene logos. In der Hölle sein, aber nicht in der Hölle sein, in der Nacht stehen, aber nicht zur Nacht gehören, in der Welt der Kybele sein, aber kein funktionierendes Teil der kybelischen Welt sein. Ich nenne dies einen gänzlich anderen Typ der philosophischen Richtung: das radikale Subjekt. Das radikale Subjekt ist das Subjekt, welches sich im Zentrum der Nacht befindet, aber nicht in der Nacht ist. Doch es existiert das Problem von Dionysos schwarzem Doppelgänger; es gibt etwas Titanisches, das Dionysos imitiert und als Adonis seinen Spiegel und Doppelgänger darstellt. Das Problem liegt nun darin, sie voneinander zu unterscheiden. Das ist das Problem des Simulacrums im religiösen Sinne, das Problem des Antichristen, denn der Antichrist ist nicht die scharlachrote Frau selbst. Er ist nicht Kybele. Er ist vielmehr eine Schöpfung die aus dem Abgrund kommt und vortäuscht Christus zu sein. Das Problem des Antichristen, des Simulacrums sowie das Problem des Doppelgängers von Dionysos ist das zentrale Problem der Postmoderne, da es vortäuscht, das radikale Subjekt zu sein. Es täuscht vor, die Figur des Dionysos in ihrem Zentrum zu sein. Und es ist nicht Christus, das radikale Subjekt ist nicht Christus. Christus ist himmlisch, Gott und der Mensch ebenso. Aber es ist etwas ganz anderes und Dionysos ist die Figur die wirklich ausgesprochen problematisch ist. Und ich benannte eines meiner Bücher danach: „Das radikale Subjekt und sein Doppelgänger.“ Das ist anders gesagt das Problem des Dionysos. Wir müssen also diesen Punkt in der Nacht finden, der nicht zur Nacht gehört. Dabei müssen wir aufpassen, ihn nicht mit seiner Parodie zu verwechseln, die nahe bei ihm existiert. Das ist also die metaphysische Erklärung für die Noologie und die Noomachie im 21. Jahrhundert. Und ich denke, dass dies die tiefgehendste Analyse ist, die in der derzeitigen Situation gemacht werden kann.
Um diese Vorlesungsreihe abzuschließen, können wir uns fragen, wo der Platz Serbiens in diesem letzten Augenblick der Noomachie liegt. Das ist eine offene Frage und wir können sie nicht abstrakt beantworten. Es liegt also am serbischen Volk über seinen Platz zu entscheiden. Es ist von großer Wichtigkeit den noologischen Raum zu definieren, um diese Analyse machen zu können, sorgsam die wesentlichen Figuren zu identifizieren, ebenso wie die wesentlichen Tendenzen. Aber das alles hängt von dieser Entscheidung ab. Und was wichtig zu sein scheint ist, dass diese Entscheidung immer möglich ist, bis zu dem Punkt an dem die Singularität kommt. Wir haben also nur sehr wenig Zeit, um eine Entscheidung zu treffen. So lange wir das Dasein haben, dass Da-Sein, bleibt immer die offene Entscheidung sich für die eine oder die andere Richtung zu entscheiden. Die Wahl ist also solange möglich, solange es Menschen gibt. Der Mensch ist da, wenn das Dasein existiert. Doch ich denke, dass wir durch die Künstliche Intelligenz unwiederbringlich ersetzt und unseres Todes beraubt werden (der Bedingung für unsere Existenz, das Dasein nach Heidegger) und aufhören zu sein, was wir sind. Und damit werden wir unwiederbringlich die Möglichkeit einer Entscheidung verlieren. Jetzt haben wir nur noch wenig Zeit vor uns, denn etwas schrecklicheres und fürchterlicheres als der Tod nähert sich, viel fürchterlicher als der Tod, Folter oder eine Katastrophe. Es ist das Ende des menschlichen Daseins wie wir es kennen, als Folge nicht korrekt getätigter Entscheidungen. Heidegger zu folge hat sich das europäische Dasein, das westliche Dasein dazu entschlossen, nicht zu sein. Und das ist die Definition der Moderne und Post-Moderne. Es hat sich dazu entschieden nicht zu sein und nicht in der Nacht aufzuwachen, zur Mitternacht, wo wir uns gerade befinden. Aus diesem Grund hat Heidegger auch in seinem Interview gesagt, „Nur ein Gott kann uns retten“, weil die getroffene Entscheidung falsch und bereits getätigt worden war. Die Vielheit des Daseins, die auf der Noomachie gründet, bewahrt die Möglichkeit sich anders zu entscheiden. Auch wenn der Westen sich dazu entschieden hat, denke ich nicht, dass die Entscheidung, nicht zu existieren, nicht auch für uns Serben und Russen durch ihn getroffen worden ist. Das war nicht unsere Entscheidung. Und wir haben uns noch nicht abschließend entschieden, also müssen wir dazu voranschreiten. Wir haben Zeit, sehr wenig Zeit, um diese Entscheidung zu treffen. Und das ist das Ende der zehn Vorlesungen zur Noomachie als einführenden Kurs in dieses Studium.
Aus dem Englischen übersetzt von Alexander Markovics