Die Metaphysik des Krieges
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Aus dem Englischen übersetzt von Alexander Markovics
Die Metaphysik des Krieges
Heute möchte ich meine Ansichten zur Metaphysik des Krieges und dem philosophischen Verständnis dessen, was gerade passiert, teilen. Ohne ein solches Verständnis werden wir nicht dazu in der Lage sein die ganze Tiefe der gegenwärtigen Konfrontation zu verstehen. Es muss nicht darauf hingewiesen werden, dass ich den Informationsraum mit Argusaugen beobachte und ihn direkt kommentiere. Jedoch möchte ich heute die gegenwärtigen Ereignisse von einem philosophischen Standpunkt aus betrachten.
Grundsätzlich wurde der Krieg immer als etwas notwendiges betrachtet. Heraklit nannte ihn den „Vater aller Dinge“. Der Krieg hat immer den Frieden konstituiert. Wenn es Krieg gibt, gibt es keine Spaltung, aber es gibt auch keinen Frieden. Folglich kann man den Krieg gewissermaßen als kosmologischen Akt begreifen. Die Kriegstheoretiker Thukydydes und Sokrates haben den Krieg romantisiert. Gleichzeitig findet eine sehr interessante Unterscheidung statt. Mir scheint, dass sie von entscheidender Bedeutung ist, wenn wir heute Konflikte analysieren. Die Kriege werden in gute und schlechte Kriege unterteilt.
Gute Kriege sind Kriege gegen einen äußeren Feind. Folgen wir Thukydydes, Sokrates oder Xenophon, dann sind diese zu akzeptieren. Davon abgesehen gibt es Vernichtungskriege, die als negativ angesehen werden. Später werden diese in Platos Dialog, den Gesetzen, als äußere Kriege charakterisiert werden. Plato verwendet den griechischen Begriff "polemos" im Gegensatz zum inneren Krieg – der stasis. Natürlich rechtfertigten die alten Griechen ihre Kriege mit einem äußeren Feind. Ein äußerer Krieg wurde als Krieg mit anderen betrachtet, mit Barbaren, die man ganz allgemein unterwerfen kann. Ein innerer Krieg hingegen, den die griechischen Stadtstaaten für gewöhnlich auch führten wie etwa der Krieg zwischen Athen und Sparta, sollte Plato und seinen Vorgängern zu Folge immer mit Versöhnung enden, aber auf keinen Fall mit der Vernichtung des Feindes.
Wenn wir über den gegenwärtigen Konflikt sprechen, den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, kommt eine Frage auf. Handelt es sich hierbei um einen äußeren oder inneren Krieg? Das ist eine sehr schwierige Frage. Erst gestern habe ich an einer Diskussionsrunde auf dem Fernsehkanal Republic TV teilgenommen. Mein Gegner war eine ukrainische Kollegin aus Kiew, Polina, eine ehemalige Beraterin des Verteidigungsministeriums, die folgendes sagte, ich zitiere: „Es gibt kein russisches Volk, aber wenn ein solches existiert, dann muss es ermordet werden.“ Nachdem ich das gehört hatte, schloss ich daraus, dass dieser Krieg (auch wenn man ihn weniger einen Krieg nennen könnte, als vielmehr eine Friedenserzwingung) nicht länger ein interner Krieg ist, sondern gegen einen äußeren Feind geführt wird. Das bedeutet, dass sich jene die sich uns entgegenstellen, die diese Akte der Aggression begehen, die seit acht Jahren Angriffshandlungen gegen das russische Volk tätigen und die den Russen verboten haben zu leben, ihre Sprache zu sprechen und ihnen verbaten ihre eigene Kultur zu haben, nicht länger unsere slawischen Brüder sind. Sie sind eine andere Entität.
Ich habe mich mit diesem Gedanken beschäftigt den Konflikt als einen Kampf mit einem äußeren Feind, also als „polemos“ zu begreifen. Und dieser „polemos“ muss nach Plato mit großem Mut geführt werden. Ebenso ist der Krieg Plato zu Folge in vielerlei Hinsicht eine direkte Folge der menschlichen Unvollkommenheit. Nichtsdestotrotz muss er ritterlich geführt werden und eine korrekte Ordnung herstellen. Je stärker das kontemplative Prinzip ist, desto schwächer ist das Lustprinzip.
Wenn wir uns die ukrainische Machtstruktur genauer anschauen, sehen wir, dass im Laufe der vergangenen acht Jahre seit 2014 die US Unterstützung für das ukrainische Militär mehr als 20,5 Milliarden US Dollar in Form von Rüstungsgütern betragen hat. Das selbe passierte auf anderen Gebieten. Wenn wir schließlich vom Volumen der Investitionen in die Zivilgesellschaft sprechen, die von Stiftungen getätigt wurden, dann macht die Gesamtsumme etwa 1,5 Milliarden Dollar aus. Dennoch handelt es sich dabei um enorme Geldmengen.
Schauen Sie auf diese Größenverhältnisse, dann kommt die Frage auf, ob die Ukraine ein Marionettenstaat ist, der von einem Komiker regiert wird, eine Tatsache die an sich bereits lächerlich ist. Mit was für einem interessanten, sakralen Symbol wir es hier zu tun haben! Heraklit wurde zum Beispiel „der weinende Philosoph“ genannt, weil er niemals lachte. Demokrit wiederum wurde der „lachende Philosoph“ genannt, weil er die ganze Zeit lachte und ein verdammter Mann der Antike war. Es ist kein Zufall, dass seine Bücher von den Anhängern Platos und Pythagoras verbrannt wurden. Und wenn man der Überlieferung glauben schenkt, wurden sie das auch von Plato höchstselbst.
Dieses Anti-Russland und seine Front sind nicht bloß eine politische Front, sondern vielmehr ein entgegengesetzter geopolitischer Pol. Es ist gewissermaßen ein Stellvertreter des amerikanischen Prinzips, der amerikanischen Zivilisation, der amerikanischen Ordnung, also des globalistischen Modells. Es dient auch als weiteres anti-russisches Modell, sowohl im existenziellen als auch im metaphysischen Sinne. Es ist eine Ordnung in dem die Werte auf den Kopf gestellt werden. Dort herrscht die Lust, das heißt das lustvolle, niedere Prinzip, dass bei Plato mit der Idee des Magens assoziiert wird. Das russische Verteidigungsministerium hat heute bekannt gegeben, dass Russland die Feindseligkeiten nicht begonnen hat, sondern im Gegenteil Russland beabsichtigt sie zu beenden. Und das Ende dieser Feindseligkeiten besteht in der Wiederherstellung der Gerechtigkeit.
Nachdem Sie bereits philosophische Konzepte erwähnt haben, erinnern Sie sich vielleicht auch an das Konzept des Gerechten Krieges. Es ist hier anwendbar. Im übrigen wird der Gerechte Krieg von vielen Neokonservativen als Argument herangezogen, wenn sie Militäroperationen in der ganzen Welt durchführen. Schauen Sie sich an, wie wir anders vorgehen! Die Amerikaner machen alle Häuser dem Erdboden gleich, genauso wie sie es im Irak getan haben. Es finden Massenbombardierungen von Wohngebieten und Nichtwohngebieten statt. Ihre privaten Militärfirmen erschießen Zivilisten. Wir hingegen handeln zum Wohle der Lebenden. Trotz der Missverständnisse und Fehler, trotz der Tatsache, dass die Ukrainer fasziniert und sogar hypnotisiert waren von dieser Erzählung , einem anderen logos, der ihnen fremd ist, wollen die russischen Friedensstifter sie nicht tot sehen.
Jeder sagt nun, dass die Operation in einem Tag hätte abgeschlossen werden sollen. Nein, das sollte sie nicht, denn es handelt sich hierbei um einen sehr komplexen Prozess. Jedoch verhalten sich die Russen insgesamt sehr human, wenn sie diese sakrale Ordnung errichten. Sie verhalten sich nicht so wie das Lustprinzip operiert, sie begehen keine Kriegsverbrechen.
Grundsätzlich handelt es sich dabei um die wesentlichen Punkte über die ich mit Euch sprechen wollte. Es gibt also etwas, über das wir nachdenken und über das wir diskutieren sollten. Es stellt sich heraus, dass Russland einerseits Krieg gegen einen äußeren Feind führt, die Vereinigten Staaten. Andererseits verstehen Sie, dass die Körper der Menschen von dieser anderen Seite uns fremd sind. Die Körper und Seelen dieser Menschen sind unser eigener Spiegel. Aber dabei handelt es sich um eine Spiegelung, die in eine entfernte und gänzlich falsche Welt einer anderen Ontologie abgewandert ist, mit einer anderen Hierarchie der Werte. Folglich gibt es auf der einen Seite einen äußeren Krieg, den Krieg mit einem äußeren Feind, mit äußeren Zivilisationen, mit dem logos der Kybele, mit dem logos der Lust, sogar mit dem Mythos der Lust, mit der Besessenheit. Ebenso mit dem Konsum. Was in der Ukraine passiert ist eine wahre Gesellschaft des Spektakels. Wie ein Kollege vor mir bereits angemerkt hat, besteht eine Asymmetrie im Informationskrieg. Andererseits handelt es sich hierbei auch um einen inneren Krieg. Diese Art von Zwietracht sollte auch zum Frieden führen. Eigentlich handelt es sich hierbei um die Zwietracht zwischen zwei Prinzipien einer Seele, wie es Plato ausgedrückt hat. Es existieren zwei Prinzipien der Seele: Der Streiwagenlenker und das Pferd. Daher kann man unser russisches Militär mit einem Streitwagenlenker vergleichen, der versucht ein tobendes schwarzes Pferd zu zähmen.
Das ist die Interpretation, die ich als Historikerin mit Fokus auf Ideengeschichte und Kennerin des Platonismus vorschlagen würde. Ich hoffe, dass dieses Thema weiterentwickelt werden wird. Das ist notwendig, da unsere amerikanischen Kollegen, wie beispielsweise die Neokonservativen, ihre Theorien auf dem Platonismus aufbauen. Nehmen wir zum Beispiel Leo Strauss, den ideologischen Inspiratonsquell allen Neokonservativsmus. Er ist eine Art Experte auf dem Gebiet von Platons Philosophie. Zum Beispiel rechtfertigt er die Idee von Fälschungen. Leo Strauss sagt, dass Platon die Vorstellung von der „edlen Lüge“ hatte. Daher ist es aus Sicht der Neokonservativen grundsätzlich akzeptabel einige Formen dieser „edlen Lüge“ zu verwenden, um eine gerechte Weltordnung, also die amerikanische Weltordnung, herzustellen.
Es herrscht kein Zweifel darüber, dass wir diesen Konflikt ohne Metaphysik und ohne Philosophie beschreiben können, aber in diesem Fall würden wir einige wichtige Aspekte übersehen. Kommen wir nun zu deiner Frage zurück Nikolaj, ob es sich bei diesem Krieg um eine Form der Buße handelt. Ich nehme an ja, er ist genau das. Grundsätzlich wird dieser Krieg von den Russen geführt um Frieden zu schaffen. Im Russischen gibt es zwei Schreibweisen des Wortes "мир" ("welt"): mit einem "i" in der Dezimalschreibweise, mit einem Punkt und in der modernen Version in der Oktalschreibweise "и". Das eine ist einfach gegeben, das andere ist das Ergebnis eines Krieges, einer Art von Abkommen, das nach der Trennung getroffen wurde. Diese Art von Denken ist typisch für uns: Zuerst kommt die Trennung, dann folgt die Wiedervereinigung und die Russen wollen definitiv den Frieden. In der russischen Philosophie des späten 19. bis frühen 20. Jahrhunderts gab es die Idee der Versöhnlichkeit. Diese Versöhnlichkeit sollte sich nun in den Beziehungen zum ukrainischen Volk ausdrücken. Wir versuchen diese Trennung zu überwinden. Ich wünsche unserer Armee wahren Erfolg. Ich glaube daran, dass die Geschichte jetzt wahr wird. Oder um mit Heidegger zu sprechen, dass was gerade passiert ist ein "Ereignis". Das ist der Ausdruck des russischen Seins in der Geschichte.
Und ich bin der Meinung, dass wir ernsthaft für die Soldaten an der Front beten sollten. Bestimmt würde ich wirklich gerne zu Gebeten für die Feinde aufrufen, damit sie wieder zu Sinnen kommen. Aber im Moment bin ich noch nicht dazu bereit mir das einzugestehen. Es ist hart für mich, es ist schwierig nachdem ich all diese Videos gesehen und Drohungen erhalten habe. Ich glaube, dass wir in diesem Moment damit pausieren und für unsere Friedenswächter beten sollten.
Wir sollten darüber nachdenken, wer wir sind. Denn wenn wir uns auf der anderen Seite begegnen, den Ostslawen, sehen wir, dass sie über Konturen ihrer eigenen Identität verfügen. Ja, diese Identität ist komplett künstlich. Ja, sie ist nicht durch die Geschichte legitimiert. Sie besteht aus zersplitterten Bildern, zusammengesetzt aus liberalem Nazismus und Globalismus. Es ist interessant, dass dieses Projekt von Soros finanziert wurde. Er hat die Nazis und die Nationalisten unterstützt. Das Hauptkriterium für ihn war der Hass auf die Russische Welt. Anders gesagt, sie haben keine Identität. Sie künstlich, sie können nicht auf ihr aufbauen, also werden sie verrückt, aber zumindest wird diese gestörte Identität auf die ein oder andere Weise ausgedrückt.
Wir müssen uns fragen, worin unsere Identität besteht. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Sun of the North“ haben Nikolaj und ich uns über dieses Thema der traditionellen Werte und den Entwurf einer Verordnung dazu unterhalten, dessen Diskussion zeitweise suspendiert wurde, der aber noch immer auf der Agenda ist. Das ist von größter Wichtigkeit. Ich glaube daran, dass das Durchdenken unserer traditionellen Werte, unserer Identität, Ideologie, das Begreifen der neuen geopolitischen Situation für uns von allerhöchster Priorität ist. Wenn die Operation zur Durchsetzung des Friedens erfolgreich abgeschlossen ist, müssen wir wissen wie wir weiter voranschreiten sollen. Wie sollen wir diesen „Großraum“ in Bezug auf Ideologie, Politik oder Wirtschaft, nicht hinsichtlich der militärischen Kräfte, beherrschen? Wir müssen über genau das sprechen, was Carl Schmitt einen „Großraum“ nennt.
Auf was genau baut dieser „Großraum“ auf? Das ist eine offene Frage. Ich nehme an, dass die Antwort aus unserer Losung hervorgeht und diese Losung würde „traditionelle Werte“ lauten. Dennoch müssen wir diese Werte studieren und sehr präzise definieren, denn die Geschichte schreitet gerade viel schneller voran, als sie es sonst tut. Jetzt müssen wir diese Bedeutungen, Mythologeme, semantischen Knoten aus unserer Geschichte in einer Geschwindigkeit die hundert mal schneller ist als alles was wir in den vergangenen acht Jahren getan haben, entschlüsseln.
Wir müssen dringend eine Idee formen, eine Vision dieser Ideologie und verstehen, auf wen wir uns verlassen können. Auf die Slawophilen? Ich denke ja, ihre Hilfe ist hier vonnöten. Auf die panslawistischen Ideen? Natürlich. Ihr könntet euch wundern, warum gerade auf sie. Sie sind mit dem Eurasismus inkompatibel, oder etwa nicht? Dann lasst sie uns miteinander kompatibel machen! Lasst uns herausfinden, wie wir diese beiden Konzepte miteinander vereinen können! Der Eurasismus? Zweifellos. Ich bin überzeugt davon, dass der Eurasismus die richtige Ideologie ist, um den großen Raum Eurasiens zu einen.
Was ist noch nötig? Wir brauchen auch eine religiöse Dimension, eine traditionalistische Dimension, eine geopolitische Dimension und eine Metaphysische, die wir gerade jetzt erst gestreift haben. Dies ist die allerwichtigste Aufgabe.
Ich wende mich nun an alle die uns im Rahmen der Sun of the North Programme zusehen und -hören. Ich ermutige Euch in diese Richtung zu denken. Das was wir im Moment vorfinden, ist nämlich ein Ungleichgewicht. Die andere Seite hat Argumente, eine Ideologie und Obsession. Auch wir haben das alles, jedoch manifestiert es sich nicht auf die gleiche Art. Das bedeutet, dass wir etwas übersehen haben. Irgendwann in diesem Zeitraum von 8 Jahren sind wir nicht mehr vorwärts gegangen, obwohl wir es hätten tun sollen. Vielleicht haben wir etwas vergessen. Aber nichts ist verloren bis alles verloren ist. Ich denke, dass wir diese Arbeit schnell erledigen können.
Dafür gibt es viele Voraussetzungen. Ich benenne nur die kleinen Schlüsselpunkte. Diese sind der Eurasismus, Neoeurasismus, die Vierte Politische Theorie, die Überwindung der Moderne und der Traditionalismus. Darüber hinaus dürfen wir nicht das gesamte Kompendium der russischen Philosophie vergessen, von den Slawophilen bis hin zur Philosophie des Silbernen Zeitalters. Es muss studiert werden und zu einer Quelle der Inspiration werden. Am wahrscheinlichsten sind die Idee der Versöhnung und vielleicht die Sophiologie die wichtigsten Meilensteine des Silbernen Zeitalters. Selbiges gilt für die Werke von Pavel Florensky.
Ich denke, dass es sich hierbei um die wesentlichen Punkte oder die Schlüssel handelt, die uns helfen werden die Tür zu der russischen Zukunft zu öffnen, die wir errichten müssen.